Eine Pflichtvorsorge für Selbstständige steht seit Jahren auf der politischen Agenda. Jetzt könnte die große Koalition sie umsetzen. Noch vor der nächsten Bundestagswahl möchte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ein entsprechendes Gesetz unter Dach und Fach bringen und damit eine Ansage aus dem Koalitionsvertrag einlösen. Dort hatten die Regierungsparteien 2018 vereinbart, eine Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen einzuführen, die nicht bereits anderweitig obligatorisch abgesichert sind. Rund vier Millionen Menschen sind laut Statistischem Bundesamt im Haupterwerb selbstständig, dazu kommen rund 770.000 nebenberuflich Selbstständige. Das Institut für Mittelstandsforschung IfM schätzt, dass darüber hinaus mehr als eine Millionen Menschen selbstständige Gewinneinkünfte erzielen, beispielsweise aus privaten Solaranlagen, als Ebay-Verkäufer oder Gutachter.
Von der Neuregelung betroffen wären wohl mehr als die Hälfte aller Selbstständigen, darunter auch viele Versicherungsmakler. Das ergibt sich aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW, wonach 57 Prozent weder in die gesetzliche Rentenversicherung noch in ein anderes verpflichtendes Versorgungswerk einzahlen (Datenbasis 2013). Befreit sind unter anderem Personen, die ein zulassungsfreies Handwerk ausüben, beispielsweise Uhrmacher, Maßschneider, Sattler, Segelmacher, Textil- und Gebäudereiniger oder Bestatter. Auch Versicherungsmakler unterliegen meist nicht der Rentenversicherungspflicht, wenn sie mehrere Auftraggeber haben oder Mitarbeiter beschäftigen. Für viele andere Berufe, beispielsweise im Bereich Coaching, Beratung, Gesundheit, Design oder IT fällt die Antwort jedoch keineswegs eindeutig aus und beschäftigt regelmäßig die Gerichte.
Setzt sich der Minister mit seinen Reformplänen durch, dürfte ab 2024 zumindest Klarheit herrschen. Dann sollen regelmäßige Rentenbeiträge ausnahmslos für alle Selbstständigen verpflichtend sein. Von den Reformplänen betroffen wären nach derzeitigem Planungsstand nicht nur alle, die sich ab 2024 selbstständig machen. Auch jüngere Selbstständige, die bei Inkrafttreten der geplanten Vorsorgepflicht unterhalb einer bestimmten Altersgrenze liegen, würden von der Neuregelung wohl erfasst. Im Gespräch sind derzeit 35 oder 45 Jahre. Als Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung könnten künftig erhebliche monatliche Belastungen auf sie zukommen. Im Gespräch ist ein Beitragssatz bis zur Höhe des pauschalen Regelbeitrages. Der orientiert sich am Durchschnittsentgelt und liegt derzeit bei knapp 600 EUR monatlich.
Über die genaue Ausgestaltung der Rentenreform dürften die Koalitionspartner in den kommenden Wochen noch lebhaft diskutieren. Immerhin wird es wohl, wie im Koalitionsvertrag festgelegt, eine Opt-out-Lösung geben: Um ihrer Vorsorgepflicht zu genügen, sollen Selbstständige zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und bestimmten privaten Vorsorgeverträgen wählen können. Diese müssen allerdings insolvenz- und pfändungssicher sein, neben der Altersrente auch das Risiko der Erwerbsunfähigkeit abdecken und zu einer Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen.
Nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Hinblick auf den Beratungsbedarf ihrer Kunden sollten Sie die Diskussion aufmerksam verfolgen. Wer als Selbstständiger oder angehender Existenzgründer bislang noch nicht mit einer privaten Renten- oder Kapitallebensversicherung für den Ruhestand vorsorgt, sollte jetzt gezielt Produkte prüfen, die künftig als kapitalgedeckte Alternative zur umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung gelten könnten. Dazu zählt insbesondere die Basis-Rente (Rürup-Rente). Pluspunkt: Beiträge können aktuell bis zu 90 Prozent (maximal 22.541 EUR) steuerlich geltend gemacht werden. Ab 2025 sind sogar bis zu 100 Prozent (max. 25.046 EUR) als Vorsorgeaufwand ansetzbar. Freiberufler und Selbstständige, die nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, profitieren in voller Höhe von dem Steuervorteil. Produkte mit voller Beitragsgarantie bieten zwar weniger Rendite als fondsgebundene Verträge, könnten jedoch im Hinblick auf die geplante Vorsorgepflicht die bessere Wahl sein.
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