Der Kläger, der Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), nahm die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Versicherungsleistungen aus einer D&O-Versicherung in Anspruch.
Die Schuldnerin hatte mit der Beklagten im Jahr 2008 eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter (D&O-Versicherung) abgeschlossen.
In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der D&O-Versicherung (AVB) hieß es auszugsweise:
"Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin, einem Tochterunternehmen oder einem auf Antrag mitversicherten Unternehmen begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen von Sachen) sind noch sich aus solchen Schäden herleiten."
Im August 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Im Dezember 2015 nahm der Kläger den Geschäftsführer der Schuldnerin auf Ersatz von Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch. Mit Vereinbarung vom 8./15. November 2016 trat der Geschäftsführer der Schuldnerin seine Deckungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den Kläger ab.
Der Kläger machte geltend, die Schuldnerin sei spätestens seit dem 08.09.2011 zahlungsunfähig gewesen. Deren Geschäftsführer hafte nach § 64 Satz 1 GmbHG wegen in den Versicherungsjahren 2011/2012 und 2012/2013 vorgenommener Zahlungen in Höhe von jeweils mindestens 1.500.000 EUR.
Die Beklagte lehnte ihre Eintrittspflicht u.a. mit der Begründung ab, Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG seien nicht vom Versicherungsschutz erfasst. Der Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG stelle keinen gesetzlichen Haftpflichtanspruch auf Schadenersatz im Sinne der AVB dar, sondern sei ein "Ersatzanspruch eigener Art".
Der BGH ließ die Meinung der Beklagten nicht gelten. Die Richter begründeten dies mit den folgenden Erwägungen zur Auslegung der AVB:
Die Vorschrift des § 64 Satz 1 GmbHG knüpft an nach Insolvenzreife geleistete, zur Masseschmälerung führende Zahlungen unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien die rechtliche Verpflichtung des Geschäftsführers, der GmbH diese Zahlungen zu ersetzen.
Ausgehend vom Wortlaut der AVB und dem erkennbaren Zweck der D&O-Versicherung wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte den Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG als Schadenersatzanspruch im Sinne der AVB zur D&O-Versicherung ansehen.
Der in den AVB verwendete Ausdruck "Schadensersatz" verweist ihn nicht auf den Bereich der Rechtssprache, weil es dort keinen in seinen Konturen eindeutig festgelegten Schadenersatzbegriff gibt. In der Umgangssprache umschreibt der Ausdruck allgemein den Ausgleich eines erlittenen Nachteils. Dementsprechend wird der Versicherungsnehmer/Versicherte unabhängig davon, wie die einschlägige gesetzliche Haftpflichtbestimmung diese Rechtsfolge beschreibt, nach den AVB zur D&O-Versicherung Versicherungsschutz jedenfalls dann erwarten, wenn der gegen ihn erhobene Anspruch auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichtet ist, gleichviel, ob dies der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern zugutekommt.
Den Klauselwortlaut, der nicht darauf abstellt, bei wem der zu ersetzende Schaden eingetreten ist, versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte so, dass in der Außenhaftung auch und gerade Versicherungsschutz gegenüber Dritten gewährt wird, zu denen die Insolvenzgläubiger gehören.
Dass der Versicherungsschutz auch davon abhängen soll, bei wem ein Vermögensschaden eingetreten ist und dass es insoweit einen Unterschied mache, ob die Schuldnerin oder die Insolvenzgläubiger geschädigt sind, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte dem Leistungsversprechen in den AVB nicht entnehmen.
Die Einbeziehung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 GmbHG in den Versicherungsschutz entspricht schließlich auch dem für den Versicherungsnehmer/Versicherten erkennbaren Zweck des Versicherungsvertrages. Die D&O-Versicherung dient als Fremdversicherung der Absicherung der versicherten Personen, die im Bereich der Außen- und auch der Innenhaftung von Schadenersatzansprüchen befreit werden sollen.
Der durchschnittliche Versicherte erwartet, dass diese Versicherung als Passivenversicherung sein Interesse daran schützt, keine Vermögenseinbußen infolge von gegen ihn gerichteten Schadenersatzforderungen zu erleiden. Er wird deshalb nicht annehmen, dass gerade das für ihn bedeutende und potenziell existenzvernichtende Haftpflichtrisiko aus § 64 Satz 1 GmbHG von der Deckung der D&O-Versicherung deshalb ausgenommen sein soll, weil ein Vermögensschaden nicht bei der Versicherungsnehmerin, sondern bei deren Gläubigern eingetreten ist.
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